Do., 28.09.2017
Porträts

Hugh Hefner: ein Nachruf

Mit mindestens 1000 Frauen soll der Mann Sex gehabt haben. Hugh Hefner. Magazin-Gründer, Aufklärer, Freiheitskämpfer. Was Hef, wie Freunde ihn nennen durften, jetzt erwartet? Ein finales Rendezvous: „Marilyn wird mein letztes Date sein – und ich hoffe sehr, dass aus uns was wird“, verriet Hugh Hefner mal schmunzelnd in einem Interview. Mit Marilyn Monroe verbindet den Peter Pan der sexuellen Revolution nicht nur das Geburtsjahr 1926, auch sein Lebenswerk ist untrennbar mit der Existenz der berühmtesten Blondine der Welt verknüpft.

1926 - 2017 Das einzigartige Leben des Hugh Hefner

Cooper Hefner zum Tod seines Vaters: "Wir werden ihn alle schmerzlich vermissen"

Unsere Playmates nehmen Abschied: "Er war einer der charmantesten Männer, die ich je getroffen habe"

Hugh Hefner und die Frauen: Das waren die wichtigsten Hasen in Hefs Leben

Hugh Hefner im großen Interview: Der größte Playboy aller Zeiten


Nach einem erfolgreich beendeten Psychologie-Studium jobbt der damals 27-Jährige zu Beginn der 50er-Jahre als Werbetexter beim Männermagazin „Esquire“. Der junge Familienvater hat nur wenig Geld in der Tasche, dafür aber einen großen Traum im Kopf. Um diesen zu verwirklichen, leiht er sich 1000 Dollar von seiner Mutter und investiert die Hälfte davon in ein Kalenderfoto. Darauf zu sehen: eine blutjunge Marilyn Monroe, die sich lasziv auf einem roten Samttuch wälzt. Noch nicht Wasserstoff-erblondet, dafür aber vollkommen nackt.

Credit: Playboy Deutschland

Es ist das Jahr 1953, als das erste Enthüllungsmagazin der Welt an den Start geht. Die Playboy-Premieren-Ausgabe mit MM auf dem Titel ist am Kiosk nach wenigen Tagen vergriffen. Hefners Männermagazin wird in den 1960er-Jahren zur auflagenstärksten Zeitschrift Amerikas – und kurze Zeit darauf zur Weltmarke. Es mag daher kaum verwundern, dass der Playboy-Gründer sich das Grab neben jenem der 1962 verstorbenen Film-Diva sicherte, mit der alles begonnen hatte.

DER GROSSE AUFKLÄRER

Was aber ließ den Playboy-Erfinder nicht nur zu einem der bedeutendsten Magazin-Macher, sondern auch zu einem der einflussreichsten Freiheits-Kämpfer unserer Zeit werden? Hefners unermüdlicher Einsatz galt ja bekanntlich nie allein der sexuellen Befreiung, sein Wirken richtete sich gegen jede Form

Credit: Playboy Deutschland

Zur besseren Einordnung des großen Aufklärers lohnt ein Blick zurück auf die Playboy-Anfänge.

„Alle Menschen sind gleich“

Hefner fand sich in den 1950er- und 60er-Jahren in Amerika umgeben von Prüderie, Zensur und Rassismus. Der amerikanische Traum beschränkte sich im Wesentlichen auf Wohlstand – einen Wohlstand allerdings, der vor allem der weißen Bevölkerung vorbehalten sein sollte. Schon in seinem 1962 veröffentlichten Buch „Die Playboy-Philosophie“ setzte Hugh Hefner die Gedanken der Staatsgründer und der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung dagegen: „Alle Menschen sind gleich“ und haben das „Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück“ – also den Pursuit of Happiness. Hefner ging es vordringlich um sexuelle Selbstbestimmung.

Credit: Playboy Deutschland

Doch diese war, das war ihm stets bewusst, ohne politische Emanzipation und Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß nicht möglich. „Der amerikanische Traum“, sagte er mal, „bedeutet für mich persönliche, ökonomische und politische Freiheit.“ Und Hugh Hefner beließ es nicht bei Worten. Mit der Playboy Foundation rief der erfolgreiche Verleger eine gesellschaftliche Instanz ins Leben, die bei Aufsehen erregenden Klagen gegen Pressezensur und puritanische Sexualgesetze die Anwaltskosten übernahm.

Aber auch als Chefredakteur setzte Hefner Ausrufezeichen für Aufklärung und Freiheitsdenken – gegen Rassismus und Intoleranz. Seit 1962 findet in jeder Playboy-Ausgabe eine Textgattung ihren Platz, die bis heute ein wichtiger Teil der Magazin-DNA ist: das Playboy-Interview.

Credit: Playboy Deutschland

Meinungsführer wie der Schwarzen-Aktivist Malcolm X, Skandal-Autor Vladimir Nabokov („Lolita“), der kubanische Staatschef Fidel Castro (dessen Interview-Mitschnitt heimlich in die USA eingeschmuggelt werden musste), oder der französische Philosoph Jean-Paul Sartre äußerten im Playboy ausführlich und mit großer Offenheit ihre Ansichten.

Ein besonders eindrückliches Beispiel für seine Überzeugungen gab Hefner 1966 im Rahmen eines geplanten Interviews mit dem US-amerikanischen Neo-Faschisten George Lincoln Rockwell. Dieser ließ Hefner vorab wissen, dass er nicht mit einem jüdischen Playboy-Reporter sprechen würde. Daraufhin schickte der Bunny-Boss den farbigen Schriftsteller Alex Haley („Roots“) zum Gespräch.

HUGH HEFNER – DER VISIONÄR

Tief beeindruckt von der ersten Begegnung im Jahre 1972, schwärmte der erste Redaktionsleiter der deutschen Ausgabe, Raimund le Viseur (+2015), vom amerikanischen Playboy-Chef: „Dieser Hefner war alles andere als die Karikatur eines Sexmagazin-Tycoons, er war ein sinnlicher, instinktiver, traumwandlerischer Kompositeur der exotischen Pflanze Magazin. Ja, ich wage es, seit dieser Nacht zu sagen: Er ist auf seine Weise ein Genie.“

Genial war sicher Hefs Idee zu der bis heute gültigen Themenmischung des Magazins: dem Dreiklang aus engagiertem Journalismus, unterhaltsamen Lebensartthemen und hochwertiger Aktfotografie.

Das von ihm erfundene Centerfold, also das ausklappbare Playmate-Poster in der Heftmitte, wurde später sogar in einem Nummer-1-Hit der J. Geils Band verewigt. Auch das Gespür, den Playboy nicht nur als reine Zeitschrift zu begreifen, sondern ihn innerhalb von nur wenigen Jahren zu einem weltweit erfolgreichen Markenimperium auszubauen, mit Nacht-Clubs, Merchandising-Artikeln, TV-Shows und zahlreichen Lizenzausgaben, zeugt von visionärer Kraft.

SEIN VERMÄCHTNIS

Hefners letzte Lebensjahre waren vom Umbruch geprägt. 2016 verkaufte die Company sein berühmtes Zuhause in Beverly Hills, wo der Playboy-Gründer seit dem Umzug aus seiner Geburtsstadt Chicago gelebt hat: die Playboy Mansion, sein schlossähnliches Refugium, das Sinnbild für den legendär ausschweifenden Playboy-Lebensstil.

Hefner konnte auch nicht verhindern, dass sein Magazin sich kurzzeitig auf einen fatalen Irrweg begab: War die hochwertige Aktfotografie schon seit der ersten Ausgabe ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal des Playboy gewesen, verzichtete das US-Magazin im vergangenen Jahr auf die Darstellung allzu nackter Tatsachen – und musste darauf einen empfindlichen Rückgang der verkauften Auflage verkraften.

Credit: Playboy Deutschland

Cooper, Hefners jüngster Sohn, zeichnet seit Anfang des Jahres für den US-Playboy verantwortlich. Und holte als erste Amtshandlung die Nacktheit aus ihrer Verbannung zurück.

Auf die Frage, was Amerika seinem berühmten Dad am meisten zu verdanken habe, antwortete der 26-jährige Kreativ-Chef des US-Playboy im Interview mit der deutschen Ausgabe: „Wenn Einstein einst sagte, betrachten wir die Physik mal von einer anderen Warte aus, so sagte mein Vater: Hey betrachten wir doch den Sex mal von einer anderen Warte aus.“

Das ist sein Vermächtnis.

Titelbild: Playboy Deutschland