Laut Experte: Darum bekommt man Viagra auch weiterhin nur mit Rezept
Laut Experte: Darum bekommt man Viagra auch weiterhin nur mit Rezept
Mo., 31.01.2022
Sex & Lust

Warum Viagra rezeptpflichtig bleibt und wie man sich ohne Scham Hilfe holt

Einst als „Wunderpille“ gefeiert, ist Viagra längst zum Symbol für sexuelle Aktivität auch im hohen Alter geworden. Kürzlich wurde darüber entschieden, dass das Mittel gegen erektile Dysfunktion weiterhin nur gegen Rezept verkauft werden darf. Warum das eine sinnvolle Maßnahme war und wie sich Männer ganz ohne Scham Hilfe holen können, erklärt uns der Urologe Prof. Dr. Christian Wülfing.

Viagra ist bereits seit 1998, also seit fast 25 Jahren erhältlich. Warum ist Viagra heute überhaupt noch verschreibungspflichtig?

Hierfür gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen muss man den Wirkstoff des Medikamentes betrachten: Der Viagra-Wirkstoff Sildenafil gehört, wie die Wirkstoffe Tadalafil oder Vardenafil, zu der Gruppe der sogenannten PDE-5-Hemmstoffe. Diese Substanzen können Nebenwirkungen und vor allem Wechselwirkungen haben, die für den Patienten negative Auswirkungen mit sich bringen. Zum anderen ist eine Erektionsstörung sehr häufig ein Zeichen für eine unter Umständen schwerwiegende zugrundeliegende Erkrankung, wie zum Beispiel Blutgefäßerkrankungen oder Diabetes. Deswegen ist es wichtig, diese Zusammenhänge zu prüfen und erst dann ein Rezept auszustellen.

Zu der blauen Pille gibt es zahlreiche Mythen. Wie wirkt sie und wann wird sie eingesetzt?

Der PDE-5 Hemmstoff, der in Viagra enthalten ist, verzögert den Abbau eines wichtigen Botenstoffes in der Blutgefäßzelle im Schwellkörper des Penis. Dieser Botenstoff löst eine verstärkte Durchblutung des Schwellkörpers aus, die somit zur Erektion führt. Insofern kann mit Viagra eine Erektion verstärkt und verlängert werden. Die Patienten, die eine verminderte oder gar fehlende Erektionsfähigkeit haben, können mit dem Medikament also zu einer verbesserten Erektion kommen und somit auch eine zufriedenere Sexualität haben.

„Die Risiken sind ohne Rezeptpflicht zu hoch“

Kürzlich wurde darüber entschieden, ob Viagra zukünftig frei verkäuflich und ohne Rezept verfügbar sein solle. Warum ging es bei dieser Entscheidung?

Im sogenannten „Sachverständigen Ausschuss für Verschreibungspflicht“, der dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte untergeordnet ist, wird regelmäßig darüber entschieden, ob die Rezeptpflicht für ein bestimmtes Medikament aufgehoben werden kann. Die Experten, die in diesem Gremium sind, überprüfen anhand von Sicherheitsdaten und medizinischen Gesichtspunkten, ob dies geschehen kann. In diesem Fall lag nun ein Antrag für den Viagra-Wirkstoff Sildenafil vor, die Rezeptpflicht abzuschaffen. Dieses wurde aber negativ beschieden, so dass Viagra rezeptpflichtig bleibt.

Wie ist Ihre Ansicht als Fachmann dazu?

Die urologischen Fachverbände, die Deutsche Gesellschaft für Urologie sowie der Berufsverband der Deutschen Urologen haben vor der Entscheidung eine gemeinsame Stellungnahme an das entscheidende Gremium abgegeben. Darin wurde argumentiert, dass die Risiken für die Patienten ohne Rezeptpflicht zu hoch sind. Es wäre ja wirklich gefährlich, wenn Patienten zukünftig ohne jegliche Prüfung, ob es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gebe oder Erkrankungen vorliegen, zu diesem Medikament greifen könnten. Ohne Rezeptflicht würden diese wichtigen Aspekte vernachlässigt und der zugrundeliegenden Arzt-Patienten-Kontakt fiele ebenfalls weg.

Wenn sich der „echte“ Arztbesuch nicht umsetzen lässt, dann können moderne telemedizinische Ansätze eine gute Alternative sein.

Das Thema ist mit gewisser Scham belastet, viele Männer zögern generell, einen Arzt aufzusuchen. Was raten Sie Männern, die unter Erektionsstörungen leiden?

Das allerwichtigste ist, dass der Mann sich mit dieser Situation auseinandersetzt und sich Hilfe holt. Man braucht hier eine ärztliche Begutachtung der Situation. Es stellen sich Fragen, wie: Welche psychischen oder organischen Gründe können die Ursache sein? Sind weitere Untersuchungen nötig? Welche Therapien sind möglich? Leider ist das Thema aber sehr schambesetzt. Wir wissen ja, dass viele Männer ungern zum Arzt gehen. Wenn sich der „echte“ Arztbesuch nicht umsetzen lässt, dann können moderne telemedizinische Ansätze eine gute Alternative sein.

Welche Mittel, abseits von Viagra, empfehlen Sie?

Neben dem Sildenafil, dass das erste dieser Medikamente war, kommen auch Tadalafil und Vardenafil in Frage. Außerdem können auch mechanische Hilfsmittel, zum Beispiel Vakuumpumpen zum Einsatz kommen. Auch eine Schwellkörper-Injektion mit durchblutungsfördernden Mitteln ist ein Ansatz, der sehr verlässlich wirkt, bei dem die Erektion dann aber auch unweigerlich einsetzt. Das ist ja gerade der Vorteil von Viagra, dass die Erektion nur dann einsetzt, wenn auch Lust und Stimulation da sind.

Christian Wülfing

... ist Chefarzt der Urologischen Abteilung der Asklepios Klinik Altona in Hamburg. 2015 wurde er zum Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) gewählt. Er leitet den medizinischen Beirat der Münchner Firma Wellster Healthtech Group, einem Start-up im Bereich der Telemedizin.

Titelbild: Jacob Lund / Shutterstock