„Frauen sind härter im Nehmen“

Die Nahaufnahme einer Frau die ernst und in Boxerhaltung in die Kamera blickt
Die Umwerfende: Marie Lang ist Kickbox-Weltmeisterin in drei verschiedenen Gewichtsklassen – im Interview verrät sie, warum ein Buch zu schreiben trotzdem härter war
Credit: Imago
Die Nahaufnahme einer Frau die ernst und in Boxerhaltung in die Kamera blickt
Die Umwerfende: Marie Lang ist Kickbox-Weltmeisterin in drei verschiedenen Gewichtsklassen – im Interview verrät sie, warum ein Buch zu schreiben trotzdem härter war
Credit: Imago

Kickbox-Weltmeisterin Marie Lang hat ihre Biografie („Kampfgeist“) geschrieben – zusammen mit Playboy-Autor Maximilian Reich. Im Gespräch mit ihm verrät die 38-Jährige, warum das härter war als ein Kampf im Ring, warum Frauen mehr einstecken können als Männer, und wieso Niederlagen wichtig sind

Maximilian Reich
Von: Maximilian Reich
23.09.25
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Marie, können wir uns Hoffnung machen, dass du dich irgendwann mal für den Playboy ausziehst?

Man soll bekanntlich niemals nie sagen. Ich habe von Chrissi (Dr. Christine Theiss, Ex-Kickbox-Weltmeisterin und Cover-Star 10/2014, Anm. d. Red.) und Regina (Ex-Box-Weltmeisterin Regina Halmich, Cover-Star 5/2003 und 3/2015, Anm. d. Red.) nur Gutes über eure Shootings gehört. Aber vorher müsste ich erst mal wieder in Shape kommen (lacht).

Wie hältst du dich seit deinem Karriereende fit?

Ich gehe joggen, es kommt aber auch vor, dass ich mal zwei oder drei Wochen gar nichts mache. Ich hatte ja das große Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Aber dadurch hatte ich eben kein Hobby mehr, und die Freude am Sport ging irgendwie verloren. Du kannst an einer Hand abzählen, wie oft ich seit meinem Rücktritt vor drei Jahren die Boxhandschuhe anhatte.

Wie war das für dich unter meist männlichen Profi-Kämpfern?

Ich fand das immer entspannt mit Männern. Die hauen sich im Ring auf die Nase und gehen danach zusammen ein Bier trinken. Frauen hingegen, zumindest war das oft mein Eindruck, sind nachtragender. Das ist jetzt natürlich sehr subjektiv, und es gibt immer Ausnahmen, aber ich finde, Männer sind oft unkomplizierter. Trotzdem finde ich es gut, dass mittlerweile immer mehr Frauen Kickboxen machen.

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Warum?

Weil es ihnen Selbstvertrauen gibt, wenn sie wissen, dass sie sich zur Not wehren können, wenn irgendein betrunkener Idiot sie in einer Bar belästigt.

Hast du schon mal einen Typen geschlagen?

Einmal. Auf der Kirmes wollte mir so ein Typ mit der Zunge übers Gesicht lecken. Den hab ich am Kragen gepackt und ihm ins Gesicht geschlagen, dass er nach hinten auf den Boden gefallen ist. Das war aber vor meiner Profi-Karriere.

Mich hast du auch mal geschlagen …

Beim Sparring, gell? Pff, bitte. Das war ja nur auf Sparflamme. Und auch nur, weil du so großspurig getönt hast, du würdest die Matte mit mir aufwischen. Da musste man dich ja mal wieder auf Normalgröße stutzen (lacht).

Unser Autor Maximilian Reich ist gut mit Marie Lang befreundet und musste beim Sparring schon mal ordentlich einstecken
Credit: privat

Wer ist härter im Nehmen, Frauen oder Männer?

Frauen. Keine Ahnung, ob es daran liegt, dass sie lange Zeit dachten, sie dürften keine Schwäche zugeben, weil es sonst gleich heißt: typisch Mädchen. Aber meine Gegnerinnen haben im Ring teilweise Schläge eingesteckt, bei denen ich mir nur dachte: Das kann doch nicht dein Ernst sein. Wieso geht die denn nicht zu Boden? Die wären lieber tot umgefallen, als das Handtuch zu schmeißen.

Im Herbst erscheint nun dein Buch über deine Karriere. Was ist härter: ein Kampf im Ring oder das Schreiben eines Buches?

Puh, schwierig. Ich glaube, in beiden Situationen macht man sich sehr angreifbar. Im Ring hatte ich allerdings immer die Möglichkeit, die Deckung hochzunehmen, und ich wusste, was zu tun ist. Während im Buch viele persönliche Dinge stehen, mit denen ich mich komplett schutzlos den Lesern ausliefere. Das macht mir schon auch ein bisschen Angst.

Zum Beispiel?

Das war ja, als ich noch eine Kämpferin war, immer so, dass man nie zeigen durfte, wenn man mal Schiss hatte, einen Fight zu verlieren. Solche Sachen jetzt auszupacken, klar mache ich mir Gedanken, wie die Menschen das aufnehmen werden. Ob sie sagen werden: Hättest das halt nicht machen sollen. Bist halt keine richtige Kämpferin.

Was vermisst du am meisten von der Zeit damals?

Den Moment nach dem letzten Gong. Wenn man im Ring stand, der Ringrichter meinen Arm in die Höhe riss, weil ich gewonnen hatte, und das Publikum mir zujubelte. Das war ein unglaublich geiles Gefühl.

Woraus ziehst du heute dein Selbstwertgefühl?

Das war am Anfang nicht so einfach. Ich hatte viele schlaflose Nächte, in denen ich gegrübelt habe. Ich war immer Marie Lang, die Kickbox-Weltmeisterin. Da war ich schon stolz drauf. Und plötzlich war ich nur noch Marie Lang. Das klingt natürlich nicht mehr ganz so cool. Da fiel ich schon in eine Art Identitätskrise. Ich musste erst mal wieder herausfinden, wer ich eigentlich bin oder was mich ausmacht.

Niederlagen sind nicht das Gegenteil von Erfolg, sondern ein Teil davon

Und wie hast du das geschafft?

Ich habe viele Sachen ausprobiert. Irgendwann hat mich dann mal ein Unternehmen angesprochen, weil sie meinen Weg in einer Männerdomäne spannend fanden, und sie fragten mich, ob ich darüber nicht mal einen Vortrag bei ihnen halten möchte. Heute versuche ich als Keynote-Speakerin, anderen Menschen mit meiner Erfahrung zu helfen. Das macht mich stolz.

Was ist die wichtigste Lektion, die du in deiner Karriere gelernt hast?

Dass Niederlagen nicht das Gegenteil von Erfolg sind, sondern ein Teil davon. Man lernt aus seinen Fehlern und geht als bessere Version seiner selbst daraus hervor.

Du hast in deiner Karriere nur zwei Kämpfe verloren, darunter ausgerechnet deinen letzten. Nagt das noch an dir?

Jetzt nicht mehr so, aber das hat lange gedauert, bis ich genug Abstand dazu hatte. Ich hatte das Gefühl, dass meine ganze Karriere und alles, was ich davor erreicht hatte, in Schutt und Asche liegt und jeder mich jetzt nur noch mit dieser Niederlage in Verbindung bringt.

Hart, aber herzlich: In ihrer Biografie „Kampfgeist“ (EMF Verlag, 18 Euro) zeigt Marie auch ihre sanfte Seite und erzählt von ihren Selbstzweifeln
Credit: PR

Mal ein Comeback in Erwägung gezogen?

Nicht wirklich. Direkt nach meinem letzten Kampf hatte ich mal kurz darüber nachgedacht, ob es dumm war, keinen Rückkampf zu vereinbaren. Aber ich hatte einfach keine Leidenschaft mehr in mir. Die hatte ich schon beim letzten Kampf nicht mehr, und das wäre beim Rückkampf ja nicht besser geworden. Mein letzter Kampf war im Grunde schon eine Niederlage mit Ansage.

Im Buch erzählst du, dass du wegen eines Jungen mit dem Kickboxen angefangen hast. Muss ein Mann für dich sportlich sein?

Es war eher so, dass meine beste Freundin und ich Kickboxen machen wollten, weil wir es cool fanden, so einen toughen Sport zu machen. Und dann haben wir von zwei Jungs, die wir sehr süß fanden, gehört, dass die vorhatten, auch zum Kickboxen zu gehen. Da haben wir uns dann schnell am nächsten Tag angemeldet, um denen zuvorzukommen. Sonst hätte es am Ende noch geheißen, wir wären nur wegen denen dort. Die Jungs sind aber nie aufgetaucht. Wahrscheinlich wollten sie bloß vor uns prahlen. Und ja, ein grundsätzliches Interesse für Sport wäre schon gut. Aber bitte nicht zu viel. Er muss kein Sixpack haben, und ich fände es ganz schlimm, wenn er jeden Morgen um vier Uhr aufsteht und sein Workout startet oder mir seine Proteinshakes aufzwingt.

Wie geht dein Partner damit um, dass er so eine starke Frau an seiner Seite hat?

Ganz locker. Er hat sich früher immer selbst ganz stolz mit einem zwinkernden Auge als Spielerfrau bezeichnet. Ich finde, das zeigt doch die wahre Stärke eines Mannes, wenn er sein Ego unter Kontrolle hat.

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