Uhren aus Deutschland: Warum Union Glashütte nicht nur für Uhren, sondern auch für Oldtimer brennt


Der Ort Glashütte ist so etwas wie das deutsche Mekka für Liebhaber mechanischer Uhren. Hier sitzen weltweit bekannte Marken wie A. Lange & Söhne, Glashütte Original oder Nomos Glashütte. Vor dem Firmensitz von Union Glashütte treffe ich Franz Linder. Seit Mitte 2020 lenkt er die Geschicke der zur Swatch Group gehörenden Marke. Heute wird er jedoch einen alten Porsche 911 lenken, mit dem wir zusammen nach Zwickau fahren wollen, um gemeinsam an der Sachsen-Classic-Oldtimer-Rallye teilzunehmen. Die Strecke führt über insgesamt 540 Kilometer quer durchs gleichnamige Bundesland, wobei wir aus Zeitgründen nur den ersten von insgesamt drei Tagen mitfahren werden.
Doch wir haben Pech, der über 50 Jahre alte Wagen macht kurz vor unserer Ankunft in Zwickau Probleme. Wir müssen die Fahrt abbrechen, bevor sie überhaupt begonnen hat. Nach einigen Telefonaten kann eine Mitarbeiterin von Linder jedoch kurzfristig Ersatz besorgen: ein nicht ganz so altes, aber trotzdem sehr schönes 3er-BMW-Cabrio, Baujahr 1994. Auf dem Platz der Völkerfreundschaft in Zwickau beginnt schließlich beides: unsere Rallye und unser Interview.
Herr Linder, ursprünglich wollten wir an der Rallye mit einem Porsche teilnehmen, nun ging der Keilriemen kaputt. Schlechtes Omen?
Nein, überhaupt nicht. Natürlich ist so ein alter 911er ein ikonisches Auto, das hätte bestimmt Spaß gemacht, den auf der Sachsen Classic zu fahren. Aber ich bin froh, dass wir so schnell einen Ersatz gefunden haben. Dabei sein ist alles.
Das ist sehr olympisch von Ihnen. Wie fährt sich denn unser Ersatzfahrzeug bis jetzt?
Ganz hervorragend. Ich bin, ehrlich gesagt, ein großer BMW-Fan, ich habe selbst einen, mit dem ich jeden Tag zur Arbeit fahre. Ich muss dazu sagen, ich fahre sehr gerne Auto.
Würden Sie sagen, Union Glashütte ist mehr der Porsche oder der BMW unter den Uhrenherstellern?
Weder noch. Bei beiden handelt es sich um sehr große Unternehmen, während Union Glashütte eher eine kleine Liebhabermarke ist.
Sind Sie schon einmal bei der Sachsen Classic mitgefahren?
Nein, obwohl wir die Rallye schon seit vielen Jahren unterstützen, hat es sich bisher nicht ergeben. Aber ich freue mich ungemein, dass es dieses Jahr klappt und wir diese Herausforderung heute zusammen erleben. Und natürlich habe ich die Ambition, auch eine gute Zeit einzufahren. Bei Oldtimer-Rallyes gewinnt ja nicht der Schnellste, sondern der, der am genauesten die vorgegebenen Zeiten einhält und daneben bestimmte Prüfungen und Wettbewerbe gut abschließt.

Kaum spricht er davon, erreichen wir nach nur ein paar Metern Fahrt das August Horch Museum, auf dessen Parkplatz wir die erste Prüfung absolvieren müssen. In diesem Fall gilt es, 80 Meter in möglichst genau 20 Sekunden zu fahren. Während Linder fährt, unterstütze ich ihn, indem ich mithilfe eines ausgeliehenen Union-Glashütte-Chronographen am Handgelenk laut die 20 Sekunden herunterzähle. Linder scheint sich tatsächlich mit BMW-Fahrzeugen gut auszukennen, wir erreichen auf Anhieb Platz zwei von circa 160 Teilnehmern.
Wow, das war richtig gut, denken Sie, wir haben eine Chance zu gewinnen?
Also, ich habe schon einen gewissen sportlichen Ehrgeiz, aber ich glaube, es wäre einfach anmaßend und unrealistisch anzunehmen, dass wir heute in den oberen Rängen mitfahren. Da gibt es andere Teilnehmer, die weitaus erfahrener und natürlich auch besser vertraut mit ihrem Fahrzeug sind.
Praktisch auch, dass ich eine Union-Uhr zum Zeitstoppen nutzen darf. Digitale Uhren sind meines Wissens nicht erlaubt, richtig?
Genau, das sind die Regeln. Und ich finde das auch sehr charmant. Schließlich haben mechanische Uhren und Oldtimer eine starke Verbindung. Da geht es um Nostalgie, aber auch um das Pflegen von Traditionen. Es ist klar, dass man mit einer mechanischen Uhr nie auf das Präzisionsniveau einer digitalen kommt. Genauso wie ein Oldtimer nicht mit einem Neuwagen in Sachen Geschwindigkeit mithalten kann. Aber unsere Chronographen sind natürlich trotzdem sehr genau, wie Sie gerade sehen konnten.
Welche Union-Glashütte-Modelle sollte man unbedingt kennen?
Die typischste und stärkste Linie ist die „Belisar“-Kollektion. Das sind sehr sportliche Uhren, die Sie sofort an ihren aufgeschraubten Flanken an der Seite erkennen können. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das nur bei Union so verbaut wird und der Uhr einen eigenen tollen Charakter verleiht. Ein richtiger Hingucker ist natürlich auch unsere viereckige „Averin“.
Die manche Sammler gerne mal als die deutsche „Monaco“ bezeichnen in Anspielung auf TAG Heuers viereckige Uhr.
Wie in der Mode gilt auch in der Uhrenindustrie das Prinzip, dass es im Grunde alles schon einmal gab. Und dann wird schnell gesagt, das sieht aus wie eine Rolex, eine Omega oder in diesem Fall eine TAG Heuer. Klar haben beide Uhren eine viereckige Form, und das ist an sich ohnehin eher selten, aber abgesehen davon hat die „Averin“ einen komplett eigenständigen Designcharakter.
“Mechanische und Oldtimer haben eine starke Verbindung
Und die Uhr, die ich gerade trage?
Das ist der „Noramis Chronograph Sachsen Classic 2024“, der stammt aus unserer „Noramis“-Kollektion, einer Linie mit viel Retro-Charme, vor allem auch wegen der gewölbten Glasbox über dem Gehäuse. Die Uhr wurde speziell für diese Rallye aufgelegt und ist auf 350 Stück limitiert. Für mich eine der coolsten Uhren, die wir bisher gemacht haben. Auch die Kombination von Babyblau und Orange gefällt mir extrem gut. Aber Sie müssen sich beeilen, wenn Sie noch eine wollen. Die meisten sind schon verkauft oder liegen beim Juwelier, wir selbst haben zumindest keine mehr.
Aber zumindest zwei gibt es noch, richtig?
Sie spielen auf unsere nächste Prüfung an, die sogenannte Union-Glashütte-Wertungsprüfung. Das Team, das hier gewinnt, erhält in der Tat, unabhängig vom Ausgang der restlichen Rallye, zwei Exemplare der Uhr von uns geschenkt.

Der Prüfung müssen auch wir uns stellen. Nach circa 20 Kilometern erreichen wir eine Kartbahn, auf der ein komplizierter Prüfungsaufbau auf uns wartet. Wir sollen die ersten 140 Meter in 19 Sekunden, die nächsten 180 Meter in 24 Sekunden und die letzten 180 Meter in genau 23 Sekunden absolvieren. Wir geben unser Bestes – und versagen komplett. Dieses Mal landen wir ganz hinten auf den Rängen.
Und wenn wir jetzt zufälligerweise gewonnen hätten?
Dann würde ich die Uhr natürlich nicht behalten, sondern dem nächstbesten Team übergeben. Aber die Chance dafür geht meines Erachtens gegen null.
Union Glashütte engagiert sich stark in der Oldtimer-Szene, wie kam es dazu?
Klassische Automobile stehen für Mechanik, Langlebigkeit und Liebe zum Detail – das entspricht genau dem Anspruch an unsere mechanischen Uhren. Wir haben Partnerschaften mit diversen Oldtimer-Events wie der Sachsen Classic oder der Silvretta Classic, für die wir regelmäßig limitierte Sondermodelle herausbringen. Dort treffen wir eine Zielgruppe, die Wert auf traditionelle Fertigung legt und Qualität schätzt.
Wie genau sieht denn der typische Union-Glashütte-Käufer aus?
Das kommt natürlich darauf an, woher der Käufer stammt. Aber insbesondere unsere deutschen Kunden kennen sich meistens gut mit der Materie aus, sie haben eine hohe Affinität zu Uhren an sich und zu Glashütte im Speziellen. Sie wollen und erwarten eine anspruchsvolle und hochwertige Uhr, die gleichzeitig ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.
Wer also eine Union-Glashütte-Uhr trägt, will damit zeigen …
… dass er sich in der Uhrmacherei auskennt. Und etwas Besonderes am Handgelenk tragen will, das nicht jeder hat.
Eignen sich die Uhren auch als Investment?
Grundsätzlich finde ich es schade, wenn jemand eine Uhr nur als Wertanlage kauft und sie dann im Safe lagert. Eine Uhr ist ein emotionales Produkt, das man im Alltag tragen und genießen sollte. Natürlich kann es bestimmte Modelle geben, die im Wert steigen, aber unser Fokus liegt auf Qualität, Wertigkeit und Langlebigkeit – und nicht ausschließlich auf Investmentgedanken.
“Die Anforderungen in Glashütte sind sehr hoch, aber damit eben auch die Qualität des finalen Produkts
Was sagen Sie einem potenziellen Kunden, der noch nie etwas von der Marke gehört hat?
Eine Uhr von Union Glashütte ist eine charaktervolle, mechanische Uhr mit höchsten technischen Standards, hergestellt in Glashütte und versehen mit dessen Qualitätssiegel für hohe Kunst der Uhrmacherei.
Wie wichtig ist es, dass der Name Glashütte auf dem Zifferblatt steht?
Sehr wichtig, das macht einen entscheidenden Unterschied. Nirgendwo sonst in Deutschland sind die Kriterien so klar definiert. Die Wertschöpfung unserer Werke muss in Glashütte mindestens 50 Prozent ausmachen, auch sämtliche Montagen und Qualitätskontrollen müssen in Glashütte stattfinden. Die Anforderungen sind hier sehr hoch, aber damit eben auch die Qualität des finalen Produkts.
Stammen die Werke nicht aus der Schweiz?
Ja und nein. Im Gegensatz zu anderen Marken in dem Preissegment werden bei uns keine fertigen Werke angeliefert, sondern nur einzelne Teile. Und bestimmte Komponenten wie zum Beispiel den Rotor, die Platine oder die Ankerbrücke erstellen und produzieren wir selbst, also inhouse. Anschließend wird dann alles bei uns zusammengebaut, wir haben also eine extreme Fertigungstiefe in Glashütte. Das ist in der Schweiz in diesem Preissegment anders, da werden viele Teile eingekauft, und die entsprechenden Arbeitsschritte erfolgen extern bei den jeweiligen Spezialisten. In Glashütte dagegen finden Sie noch sehr viel Handwerk und Handwerkskunst.
Wie wichtig ist es für Ihre Marke, ein Teil der Swatch Group zu sein?
Der große Vorteil, den wir als Konzerntochter der Swatch-Gruppe haben, ist das technische Know-how. Fast jede Uhr von Union Glashütte besitzt zum Beispiel eine Siliziumspirale. Das bieten sicher nicht sehr viele Marken, und schon gar nicht in dieser Preislage. Wir können hier unseren Kunden höchste Qualität bieten.
Nach circa anderthalb Stunden Fahrt erreichen wir den heutigen Höhepunkt unseres Ausflugs, den Sachsenring. Doch auch hier geht es nicht um Höchstgeschwindigkeiten, sondern um das Einhalten möglichst präziser Rundenzeiten.
Sind Sie vorher schon mal auf einer Rennstrecke gefahren?
Nein, noch nie.
Und wie fährt es sich über den Sachsenring?
Das macht unglaublich viel Spaß, auch wenn wir natürlich nicht so schnell unterwegs sind. Ich hätte durchaus Lust, ein bisschen mehr aufs Pedal zu drücken. Das ist aber trotzdem eine sehr coole Erfahrung.

Insgesamt vier Runden fahren wir über die 3,67 Kilometer lange MotoGP-Strecke. Danach geht es wieder zurück in Richtung Zwickau. Das Team Union Glashütte/Playboy kann sich am Ende des Tages einen soliden Platz im Mittelfeld sichern. Eigentlich nicht schlecht für unsere erste gemeinsame Teilnahme an einer Oldtimer-Rallye.
Eine letzte Frage, Herr Linder, was ist für Sie als Schweizer der Unterschied zwischen einer deutschen Uhr und einer aus der Schweiz?
Letztendlich gibt es beim allgemeinen Aufbau einer mechanischen Uhr, also bei der Art, wie das Werk funktioniert, keinen länderspezifischen Unterschied, egal, ob die Uhr aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich oder Japan stammt. Aber klar wird die Schweiz im internationalen Vergleich per se als das Uhrenland wahrgenommen. Ich denke, da hat Deutschland noch Luft nach oben.