„Ich bin die Beauty, aber ich bin auch das Beast“


Frau Böhm, was ging Ihnen durch den Kopf, als wir Sie gefragt haben, ob Sie auf unser Titelblatt möchten?
Ehrlich gesagt, dachte ich, dass mich jemand auf den Arm nehmen möchte und das ein Scherz ist (lacht). Als ich dann gemerkt habe, dass die Anfrage echt ist, konnte ich es gar nicht glauben, bei euch ins Blickfeld geraten zu sein.
Zum Glück sind Sie das auch wortwörtlich! Die Bilder, die auf Fuerteventura entstanden, sind atemberaubend.
Vielen Dank, ich finde sie auch wunderschön. Ich habe mich mit euch in ein ganz neues Abenteuer gestürzt und wieder gemerkt, dass Mut viele Facetten hat.
Konnten Sie beim Shooting von Ihrer Sportlichkeit profitieren?
Ich habe ein sehr gutes Gefühl für meinen Körper, ja. Als Sportlerin ist mein Körper mein Kapital, ich kenne ihn in- und auswendig, kenne jede Schwäche und jede Stärke. Das bedeutet aber auch, dass ich den Fokus nicht auf seine Optik, sondern auf seine Funktion lege, was nicht immer so einfach für mich war.

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Umwerfend schön: Die zweifache Judo-Europameisterin Alina Böhm legt für uns den Gürtel ab
Wie meinen Sie das?
Über zehn Jahre Leistungssport haben mich so geformt, wie ich jetzt aussehe. Damit hatte ich vor allem in der Pubertät und danach sehr zu kämpfen, denn Leistungssportler sind in der Entwicklung oft etwas langsamer. Die weiblichen Rundungen bekommt man nicht so schnell, und auch meine Oberweite war früher für mich ein sensibles Thema. Dazu kommt, dass wir beim Judo in Gewichtsklassen kämpfen, ich kämpfe aktuell bis 78 Kilo. Als Frau ständig mit dem eigenen Gewicht konfrontiert zu sein, bringt viele Unsicherheiten mit sich. Aber auch wenn es ein langer Weg war, bin ich heute sehr stolz auf meinen Körper und auf das, wozu er fähig ist. Alles, was ich erreicht habe, habe ich ihm zu verdanken.
Haben Sie ihn bei unserem Shooting noch einmal von einer anderen Seite kennengelernt?
Absolut. Ich bin mir meiner femininen Seite bewusst und habe trotzdem auf den Fotos teilweise zweimal hingucken müssen, ob das wirklich ich bin (lacht). Die Fotos sind der Beweis dafür, dass Weiblichkeit viele Facetten hat.
Inwiefern?
Ich will mit den Fotos zeigen, dass sich Stärke und Weiblichkeit nicht gegenseitig ausschließen: Ich kann auf der Matte kämpfen und ein absolutes Biest sein, kann aber daneben auch sinnlich und feminin sein. Ich bin tough und hart im Nehmen, aber ich bin auch weich und verletzlich. Ich bin die Beauty, aber ich bin auch das Beast – beide Seiten gehören zu mir, beides macht mich aus. Und nicht nur mich: Jede Frau hat verschiedene Facetten, die sie zeigen und leben darf.
Mit welchen Reaktionen aus der Sportwelt rechnen Sie?
Die meisten werden sehr überrascht sein. Ich hoffe aber, dass sie die Fotos als das sehen, was sie sind: ein Statement für Selbstbewusstsein und Freiheit. Ich stehe zu dem, was ich mache, und jeder, der mich kennt, weiß das.
Mentale Stärke und Kampfgeist zählen zu Ihren Markenzeichen im Judo. Haben Sie sich diese Qualitäten im Sport angeeignet, oder sind sie naturgegeben?
Teils, teils. Ich bin auch neben der Matte eine sehr ehrgeizige und zielstrebige Person. Wenn ich etwas mache, mache ich es zu 100 Prozent. Bei mir gibt es nur ganz oder gar nicht. Judo hat diese Eigenschaften noch mehr geformt und geschliffen, sodass sie im Sport neben meiner starken Hüfte und meinen Bodentechniken heute meine stärksten Waffen sind.
Inwiefern profitieren Sie beim Judo davon?
Judo kommt aus dem Japanischen und bedeutet „der sanfte Weg“ – auch wenn es im Kampf oft alles andere als sanft aussieht (lacht). Im Judo geht es darum, den Gegner durch Würfe, Festhalter, Hebel oder Würgetechniken zu besiegen. Doch reine Kraft reicht dafür nicht. Man braucht Schnelligkeit, Technik, Ausdauer – und vor allem absolute Konzentration. Ich versuche deshalb, mich vor jedem Kampf in eine Art Tunnelzustand zu versetzen, in dem ich ganz bei mir bin und nichts von außen mehr durchdringt. Das hilft mir, fokussiert zu bleiben und in Sekundenbruchteilen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Denn im Judo gewinnt nicht automatisch der oder die Beste – oft entscheidet ein einziger Fehler über Sieg oder Niederlage.
Damit haben Sie schon so einige Titel und Medaillen gewonnen, Sie sind unter anderem zweifache Europameisterin.
Ja, Europameisterschaften liefen bei mir immer am besten. Eine WM-Medaille fehlt mir noch. Die könnten Sie sich am 18. Juni bei der WM in Budapest holen. Ich hoffe sehr, dass ich mich diesen Sommer damit belohnen darf. Ich habe mich bestmöglich vorbereitet und gehe auch in diesen Wettkampf mit dem Willen, Gold zu holen.
Letztes Jahr haben Sie den Titel knapp verpasst – und damit auch Ihr Ticket für die Olympischen Spiele in Paris.
Ja, das war sehr, sehr hart. Ich habe lange dafür gearbeitet und auch jetzt mit etwas Abstand die Gewissheit, dass ich nichts falsch gemacht habe. Ich habe bis zum Ende alles gegeben und würde alles wieder genauso machen. Es hat einfach nicht gereicht.
Nach Paris sind Sie trotzdem gefahren – als Trainingspartnerin für Ihre Teamkolleginnen.
So schwer es auch war, habe ich meinen Stolz zur Seite geschoben und mein Team supportet. Denn ich wusste ja, dass alle anderen genauso hart für dieses Ziel gearbeitet haben. Aber ich war schon froh, als die Olympischen Spiele vorbei waren, so ehrlich muss ich auch sein.
Haben Sie jemals mit dem Gedanken gespielt, mit Judo aufzuhören?
Definitiv. Aber ich glaube, den Gedanken hat jeder Sportler mal (lacht).
Als Kampfsport ist Judo eine Randsportart, die vielen sicherlich fremd ist. Gibt es Vorurteile, mit denen Sie sich herumschlagen müssen?
Viele sagen, ich soll ihnen mal einen Trick zeigen. Aber das Ding ist, dass es keine Tricks gibt. Es gibt nur Technik, und die kann ich leider nicht so schnell jemandem beibringen (lacht).
Wie reagieren Männer auf Ihren Sport?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie beweisen müssen, dass sie stärker oder besser sind als ich. Aber ich muss sagen, dass ich mich selten mit der Art von Männern umgebe, die mich als Konkurrenz sehen oder mir nicht auf Augenhöhe begegnen. Das ist für mich ein absolutes No-Go.
Sie sind seit einigen Jahren vergeben, Ihr Freund war ebenfalls Judoka. Ist Ihnen das bei einem Partner wichtig?
Dass mein Freund den Sport versteht und mitfiebert, ist natürlich Win-win. Aber es ist nicht der Kern, der unsere Beziehung trägt. Mir ist bei Männern eher wichtig, dass sie Ausstrahlung haben und selbstbewusst sind. Sie sollten mich als starke Frau an ihrer Seite schätzen können und mir trotzdem den Raum geben, meine weiche Seite zu zeigen.
Was hat er zu den Playboy-Fotos gesagt?
Er findet sie mega. Ihm war wichtig, dass sie mich genau so zeigen, wie ich bin. Mit dem Ergebnis ist er mehr als zufrieden (lacht).
Sie trainieren zweimal täglich, kämpfen jedes Jahr bei Europa- und Weltmeisterschaften und fliegen für weitere Kämpfe von Tadschikistan bis Japan um die Welt. Was machen Sie, wenn Sie nicht auf der Matte stehen?
Ich koche und backe gerne – und ich lese unfassbar viel. Bücher geben mir Frieden und Ruhe, vor allem in stressigen Zeiten.
Alina Böhm: Die Kämpferin
Alina Böhm, geboren am 14. Juni 1998 in Böbingen an der Rems, wurde im Alter von zehn Jahren als Judo-Talent entdeckt und gilt heute als eine der besten Judokas weltweit: Zu ihren Erfolgen zählen unter anderem die Europameisterschaften 2022 und 2023. Ihre Medaillenwand will Alina Böhm am 18. Juni erweitern, wenn sie bei der Judo-Weltmeisterschaft in Budapest um den Titel in der Gewichtsklasse bis 78 kg kämpft. Es wäre ihr erstes WM-Gold, nachdem sie den Titel im letzten Jahr knapp verpasste. Abseits des Sports studiert die 26-Jährige Medien- und Kommunikationsmanagement im Master, gemeinsam mit ihrem Partner lebt sie in Köln.