„Die Person, die dieses Auto fährt, sollte einen Umhang tragen“

Die Rückseite eines futuristisch aussehendes Auto mit weichen Kanten, ganz in blau vor einem blauen Hintergrund
Mit dem Type 00 präsentiert der Chef Rawdon Glover die Zukunft von Jaguar
Credit: PR
Die Rückseite eines futuristisch aussehendes Auto mit weichen Kanten, ganz in blau vor einem blauen Hintergrund
Mit dem Type 00 präsentiert der Chef Rawdon Glover die Zukunft von Jaguar
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Sieht so die Zukunft aus? Im Interview erklärt Jaguar-Chef  Rawdon Glover, wie er die britische Marke mit dem Konzeptfahrzeug Type 00 neu positioniert und warum das nur mit einer Kombination aus Elektro und Luxus funktionieren kann.

Michael Brunnbauer
Von: Michael Brunnbauer
14.11.25
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Eine Automarke so radikal neu zu erfinden ist ein harter Schritt, wie kam es dazu?

Es war nicht einfach, und es gab kein Drehbuch dafür. Wir hatten circa acht Produkte mit unterschiedlichen Architekturen, die an verschiedenen Standorten gebaut wurden. Das war nicht sehr effizient. Also haben wir beschlossen, diese Produkte innerhalb ihres Zyklus auslaufen zu lassen. Das gibt uns die Gelegenheit, etwas Neues, etwas Großartiges und Effizientes von Grund auf neu aufzubauen. Der Schlüssel zur Neuerfindung von Jaguar ist, dass wir in Zukunft nur eine Architektur und eine deutlich schlankere Palette haben werden.

Werden Sie durch diesen radikalen Schritt nicht auch viele Fans der Marke verlieren?

Wir wollen so viele unserer bestehenden Kundinnen und Kunden wie möglich auf diese Reise mitnehmen. Aber wir wissen auch, dass einige sicher nicht mitkommen wollen – sei es wegen des vollelektrischen Antriebs oder wegen des Preisniveaus, das wir in Zukunft anpeilen werden.

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Wie steht ein Elektroantrieb mit der Jaguar-DNA im Einklang?

Unser Gründer, Sir William Lyons, sagte einmal, dass ein Jaguar in seiner besten Ausprägung „a copy of nothing“ sein sollte – eine Kopie von nichts. Damit meinte er, ein Jaguar sollte immer mutig und dramatisch aussehen und anders sein als jedes andere Fahrzeug auf der Straße. Das galt für einen E-Type, einen XJS, und das wird auch für alle unsere zukünftigen Fahrzeuge gelten. Unsere ikonischen Autos gewannen Le Mans, weil sie neue Technologien nutzten. Ein elektrischer Antrieb passt daher perfekt zur Marke Jaguar.

Und das Preisniveau geht dann eher auf Mercedes- oder Bentley-Level?

Die meisten deutschen Premium-Hersteller gehen tendenziell bis circa 130.000 Euro, darüber hinaus kommt irgendwann Bentley oder Aston Martin mit Preisen über einer Viertelmillion. Dazwischen gibt es aber tatsächlich nur sehr wenig. Genau da wollen wir uns positionieren.

Ein elektrischer Antrieb passt perfekt zu Jaguar, glaubt Chef Rawdon Glover
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Wie genau sind Sie bei der Neuposi­tionierung vorgegangen?

Wir wussten, wenn man eine Marke komplett neu erfinden will, spielt vor allem das Design eine wichtige Rolle. Also teilten wir die gesamte Designmannschaft von Jaguar Land Rover in drei Teams auf und ließen sie gegeneinander antreten. Alle erhielten das gleiche Briefing: Wir wollten etwas Furchtloses, etwas Mutiges, etwas Progressives erschaffen. Und zwar nicht nur ein Concept Car, wir wollten eine komplett neue Designsprache entwerfen. Innerhalb von drei Monaten haben die Teams dann 17 unterschiedliche, voll lackierte Tonmodelle in Originalgröße geschaffen.

Und für welches haben Sie sich entschieden?

Einige Entwürfe fühlten sich klassisch an, einige eher futuristisch, aber am Ende hat uns die Designsprache des Type 00 überzeugt. Uns war klar, wenn man sich zu sehr wohlfühlt, ist es nicht das Richtige, es muss ein wenig schockieren. Mit dramatischen Proportionen, die polarisieren, gleichzeitig aber auch unsere Vergangenheit würdigen, ohne sich von ihr einschränken zu lassen.

Allzu viel Ähnlichkeit mit einem klassischen Jaguar war nicht zu erkennen.

Wir wollten keinen Restomod eines E-Type machen. Wir haben versucht zu verstehen, was die Essenz dieser ikonischen Jaguar-Fahrzeuge ist, um diese dann in die Zukunft zu übersetzen. Als der E-Type 1961 in Genf auftauchte, hatten die Leute so etwas noch nie gesehen, er sah so aus, als sei er von einem anderen Planeten gelandet. Und dieses Gefühl wollen wir mit unseren neuen Fahrzeugen wieder herstellen – dieselbe Bedeutsamkeit, dieselbe Dramatik und denselben Mut im Design.

Warum haben Sie es Type 00 genannt?

Es heißt Type 00, weil es das allererste Fahrzeug ist, das unseren neuen Ursprung, also die gesamte Designsprache für alle künftigen Jaguars, definiert.

Was gefällt Ihnen persönlich am besten am Type 00?

Man erkennt die echte Handwerkskunst in der Schlichtheit des Designs. Es gibt keine geraden Flächen – sie sind alle wunderschön geformt, selbst die Übergänge sind sanft geschwungen. Als wir einem guten Kunden von uns das Fahrzeuge zum ersten Mal zeigten, sagte er nur: Die Person, die dieses Auto fährt, sollte einen Umhang tragen. In gewisser Weise ist das ein Auto, das ein Superheld fahren würde.

Auch wenn es keine spektakulären Schmetterlingstüren geben wird, soll sich das erste neue Serienmodell der Marke – ein viertüriger Elektro-Gran-Turismo – sehr stark an dem Konzeptfahrzeug Type 00 orientieren
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Reden wir hier über ein Auto für Superman oder für Batman?

Superman hat meines Wissens kein Auto, also ist es wohl eher ein Batmobil. Aber der eigentliche Punkt ist: Der Designwettbewerb war extrem disruptiv. Normalerweise entwickelt ein Hersteller erst eine Plattform, die bestimmte Größen wie Radstand oder die Dimensionen eines Fahrzeugs definiert, und dann kommt das Design. Wir haben das genau andersherum gemacht. Wir haben erst das Design entworfen und darauf basierend die Architektur entwickelt. So können wir sicherstellen, dass die Klarheit des Designs so wenig wie möglich im Produktionsprozess verwässert wird.

Aber die spektakulären Schmetterlingstüren schaffen es nicht in die Serie, oder?

Das erste Serienauto wird kein Coupé wie der Type 00 sein, sondern ein viertüriger GT, bei einem solchen Fahrzeug wären Schmetterlingstüren nicht sehr sinnvoll. Aber der Serienwagen wird trotzdem sehr klare Ähnlichkeiten mit dem Konzeptfahrzeug haben, das verspreche ich Ihnen.

Ich bin mir sicher, dass bis Ende dieses Jahrzehnts ein elektrifizierter Antrieb die dominante Antriebsform sein wird

Jaguar-Chef Rawdon Glover

Jaguar-Chef Rawdon Glover

Andere Hersteller setzen vermehrt wieder auf Hybrid, anstatt vollelektrisch zu werden. Warum Sie nicht?

Ein guter Eishockeyspieler läuft nicht dorthin, wo der Puck sich jetzt befindet, sondern dorthin, wo er sein wird. Ich bin mir sicher, dass bis Ende dieses Jahrzehnts und darüber hinaus ein elektrifizierter Antrieb die dominante Antriebsform sein wird. Auch bisherige Probleme wie öffentliche Infrastruktur oder die Reichweite eines E-Autos werden dann längst kein Thema mehr sein.

Was kann Jaguar besser als all die chinesischen Hersteller, die neue E-Fahrzeuge zu extrem günstigen Preisen in den Markt drücken?

Wenn ich noch eine Analogie verwenden darf: Ein Schweizer Uhrenhersteller wie Rolex oder Patek Philippe macht sich auch keine Sorgen, dass seine Uhr keine Schritte zählen oder Textnachrichten empfangen kann. Ihre wie auch unsere Marke stehen für Handwerkskunst und für Tradition. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Bestimmte Technologien sind für uns absolute Pflicht, andere nicht. Zum Beispiel werden Sie in einem Jaguar nicht mehr Bildschirme bekommen als in einem chinesischen Auto. Und das ist auch gut so.

Wenn Jaguar eine Uhrenmarke wäre …

Vielleicht eine Hublot, also ein Produkt für ein maßgeschneidertes Publikum mit einem sehr selbstbewussten Design.

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