„Ich kenne wenige Orte, die sich so rasant verändert haben“

Inselkenner: Seit elf Jahren lebt und arbeitet Patrick Czelinski auf Mallorca - als Chefredakteur des Mallorca Magazins
Credit: Uwe Erensmann-uepress
Inselkenner: Seit elf Jahren lebt und arbeitet Patrick Czelinski auf Mallorca - als Chefredakteur des Mallorca Magazins
Credit: Uwe Erensmann-uepress

Dass Mallorca schön ist, wissen die Deutschen schon lange. Jetzt scheint auch die Crème de la Crème der internationalen Promiwelt Gefallen an der Insel gefunden zu haben. Vor Kurzem wurden Justin Bieber und Ehefrau Hailey beim Inselurlaub gesichtet, Michelle Obama genoss mit ihren Töchtern entspannte Tage vor traumhafter Kulisse, und auch Cristiano Ronaldo die Sonne auf den Luxuskörper scheinen. Entwickelt sich die Lieblingsinsel der Deutschen zum neuen Promi-Hotspot? Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt Patrick Czelinski, Chefredakteur des Mallorca Magazins, in unserem Mallorca-Special.

Von: David Holzner
14.07.25
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Herr Czelinski, ist das Leben als Chefredakteur des „Mallorca Magazins“ so traumhaft, wie man es sich vorstellt – Sonne, Strand und einen Mojito in der Hand?

Ganz so ist es leider nicht (lacht). Mein Alltag sieht relativ normal aus. Jeden Morgen fahre ich ins Büro, und in der Redaktion sorgen wir dafür, dass unsere Leserschaft stets gut informiert ist.

Welche Themen interessieren die Leser des „Mallorca Magazins“ besonders?

Von der Qualität des Badewassers über Wanderrouten und Kultur bis hin zu politischen Entwicklungen auf der Insel ist alles dabei. Auch Boulevardthemen und alles rund um Strände ziehen immer Aufmerksamkeit auf sich. Was aber besonders gut funktioniert, sind Geschichten über Menschen. Persönliche Schicksale, Neuanfänge – gerade die klassischen Auswanderergeschichten kommen sehr gut an.

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Warum ist das so?

Ich glaube, solche Erzählungen treffen in Deutschland aktuell einen Nerv. Die letzten Jahre waren für viele nicht einfach. Da wächst das Bedürfnis nach einem Neustart an einem Ort, wo den ganzen Tag die Sonne scheint. Da wird das Leben besser, denken viele.

Sind die Träume vom Neuanfang auf Mallorca überhaupt realistisch – oder eher romantische Illusionen?

Ich erlebe da die gesamte Bandbreite. Es gibt die typischen TV-Auswanderer, die mit ein paar Tausend Euro auf dem Konto alles hinter sich lassen und glauben, hier wartet schon jemand darauf, dass sie eine Bratwurstbude eröffnen. In manchen Fällen geht das leider schief. Aber es gibt auch viele, die ihren Neustart sehr überlegt und seriös angehen – etwa weil sie hier eine konkrete Jobperspektive haben. Das Schöne an Mallorca ist: Hier gibt es alles.

Sie sind selbst ausgewandert, kommen ursprünglich aus Baden-Württemberg.

Das Wort „auswandern“ mag ich nicht. Ich finde, es klingt viel dramatischer, als es oft ist. Ja, ich bin vor elf Jahren für ein Praktikum auf die Insel gekommen und geblieben. Aber ob ich nun für einen Job von Süddeutschland nach Berlin ziehe oder nach Mallorca, macht für mich keinen Unterschied.

Seit 1971 informiert die deutschsprachige Wochenzeitung „Mallorca Magazin“ über die Lieblingsinsel der Deutschen - heute erscheint sie einmal wöchentlich, jeden Donnerstag
Credit: Mallorca Magazin

Wie haben Sie die Insel in diesen elf Jahren erlebt?

Ich kenne wenige Orte auf der Welt, die sich so rasant verändert haben wie Mallorca.

Inwiefern?

Das Touristenprofil zum Beispiel: Noch vor einem Jahrzehnt war die Insel sehr diversifiziert. Es gab alles – von den Ballermännern an der Playa de Palma über Wander- und Radtouristen bis hin zu Familien, die einfach Sonne und Meer genießen wollten. Natürlich war Mallorca immer stark von deutschen Touristen geprägt, aber es herrschte eine große Bandbreite.

Und das ist jetzt nicht mehr so?

Nein. Die Insel entwickelt sich zunehmend zu einem Luxusreise­ziel. Beobachten lässt sich das auch an den Stars, die auf die Insel kommen. Vor zehn Jahren hatte man Glück, wenn es einen Christoph Daum mal nach Mallorca verschlagen hat. Heute haben wir Cristiano Ronaldo, die Kardashians und die Obamas.

Es gibt einen großen Trend, und der heißt: Amerikaner

Patrick Czelinski

Patrick Czelinski

Hat sich durch den Wunsch nach mehr Luxus auch das typische Mallorca-Publikum gewandelt?

Es gibt einen großen Trend, und der heißt: Amerikaner. Das ist auch kein Zufall, sondern politisch und strategisch gesteuert.

Inwiefern?

Die Regierung wollte den Massentourismus reduzieren und stattdessen gezielt zahlungskräftige Gäste ansprechen mit dem Ziel: weniger Touristen, aber höhere Pro-Kopf-Ausgaben. Da rückten die USA in den Fokus. Es wurde aktiv in amerikanischen Metropolen für Mallorca geworben – unter anderem mit großflächigen Kampagnen, zum Beispiel am Times Square. Vor drei Jahren nahm United Airlines dann eine Direktverbindung zwischen dem Flughafen Newark bei New York und Palma auf – von Mai bis Oktober. Seitdem steigen die Besucherzahlen aus den USA spürbar, und Mallorca etabliert sich zunehmend auch als Premiumziel für den amerikanischen Markt.

Wie bewerten Sie die Entwicklung?

Grundsätzlich ist die Überlegung nicht falsch: Wenn schon Menschen nach Mallorca reisen, dann wäre es sinnvoll, dass sie auch zur lokalen Wirtschaft beitragen. Niemand will Kreuzfahrtschiffe, die Tausende Besucher in die Stadt spülen, die dann nichts kaufen und am Abend einfach wieder an Bord gehen. Was dabei aber unterschätzt wurde, ist der langfristige Effekt dieser Strategie: Wenn ich gezielt zahlungskräftige Gäste anspreche, forme ich das Reiseziel zunehmend zu einem Luxusstandort um. Die Folgen spüren letztlich nicht nur die Touristen, sondern vor allem die Einheimischen.

In Form von Wohnungsnot und Teuerungsspiralen?

Vor etwa zehn Jahren hat man in Palma für eine 90-Quadratmeter-Wohnung mit drei Schlafzimmern in einem guten Viertel um die 450 Euro bezahlt. Heute liegen die Mieten für vergleichbare Objekte in derselben Gegend bei über 3000 Euro. Mallorca gehört mittlerweile zu den Orten in Spanien mit den höchsten Mieten. Für Einheimische mit einem normalen Einkommen sind solche Wohnsituationen kaum noch leistbar. Auch die Preise in der Gastronomie gehen immer weiter nach oben.

Ich würde niemals jemandem vorwerfen, dass er auf Mallorca Urlaub macht

Patrick Czelinski

Patrick Czelinski

Klingt fast so, als würden Sie von einem Besuch Mallorcas abraten …

Ganz im Gegenteil! Mallorca ist eine traumhafte Insel – ich würde niemals jemandem vorwerfen, dass er hier Urlaub macht. Das ist wichtig zu verstehen: Der Unmut, den man in Teilen der Bevölkerung spürt, richtet sich nicht gegen die Urlauber selbst. Die Mallorquiner wissen sehr genau, dass der Tourismus die Grundlage für den Wohlstand der Insel ist. Was in Deutschland oft als Anti-Tourismus-Protest dargestellt wird, ist in Wahrheit der Wunsch nach einem Alltag, der für Einheimische bezahlbar und lebenswert bleibt.

Was würden Sie einem Mallorca-Touristen raten?

Die Insel im Juli und August zu meiden. Mallorca zeigt sich im Mai, Juni, September oder Oktober von seiner schönsten Seite. Oder in der Weihnachtszeit: Es gibt mittlerweile nicht nur ein paar sehr nette kleine Weihnachtsmärkte, unter anderem den in Puerto Portals. Palma ist auch eine der am schönsten beleuchteten Weihnachtsstädte in ganz Europa.

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