„Ich bin so volatil wie eine Kryptowährung“


Frau Karasek, in Ihrem neuen True-Crime-Podcast geht es um besonders komplizierte und brutale Kriminalgeschichten. Nehmen Sie sich solche Fälle sehr zu Herzen, oder gelingt es Ihnen, dazu eine Distanz aufzubauen?
Das schaffe ich null! Auch wenn ich es immer wieder versuche. Ich bin berührbar, nahbar, habe kein dickes Fell. Ich bin Rechtsanwältin, und während meiner Ausbildung war ich in der Staatsanwaltschaft im Dezernat für Sexualdelikte – auch da habe ich gedanklich alles mit nach Hause genommen. Ich war in dieser Zeit sehr viel joggen, um durch die körperliche Aktivität die Traurigkeit und Verzweiflung darüber loszuwerden, wie viel Böses in manchen Menschen schlummert.
Wie ist das mit den Ermittlern, über deren Arbeit Sie im Podcast berichten – schaffen die es, alles mit Abstand zu betrachten? Oder macht es gute Kriminalbeamte überhaupt erst aus, dass sie mitleiden?
Diese Diskussion kann man ja zu vielen Berufen führen: Ich kenne Moderatoren, die genau wie ich wahnsinnig viel Lampenfieber haben und sagen, ohne Aufregung geht es gar nicht, sonst verliere ich die Freude daran. Andere moderieren Shows einfach souverän weg und machen das trotzdem großartig. Auch nicht alle Ärzte lassen ihre Patienten gleich nah an sich heran, und genauso ist es bei den Ermittlern: Es gibt welche, die toll und abgeklärt arbeiten, ebenso wie die, die fantastisch und trotzdem emotional sind. Das ist eine Wesensfrage. Ich war auch als Anwältin einer großen Wirtschaftskanzlei emotional.
Was heißt das – haben Sie mit Ihren Mandanten geweint? Oder zwischendurch einen Wutanfall bekommen?
Beides! Manchen hat das total geholfen, andere Mandanten hätten lieber jemanden gehabt, der die Dinge pragmatischer angeht. Aber ich selbst möchte in meinem Beruf gar keinen Schutzschild haben. Egal, ob früher als Anwältin oder jetzt als Schriftstellerin und Moderatorin: Ich interessiere mich für Menschen – dafür, was sie denken, was sie für Sehnsüchte haben und was für Ängste, Wünsche, Träume.
Ihr Podcast legt den Fokus im Unterschied zu vielen anderen True-Crime-Formaten auf die polizeilichen Ermittlungen – warum war Ihnen das besonders wichtig?
Wir wollten die Arbeit der Menschen würdigen, die oft jahrelang an solchen Fällen arbeiten. Als Normalo weiß man ja gar nicht, wie aufwendig das ist! Außerdem wollten wir kein voyeuristisches Format machen und Mörder glorifizieren. Die Tat an sich ist eigentlich schrecklich und grausam und blutig. Wir gucken auf das, was danach passiert, wie solche Verbrechen schneller aufgeklärt oder sogar vielleicht verhindert werden können.
Weil es bei all dem immer um die Suche nach der Wahrheit geht: Wie halten Sie es selbst damit – im Kleinen? Ist bei Ihnen privat Flunkern erlaubt oder unbedingte Ehrlichkeit angesagt?
Kleine Flunkereien sind für mich in Ordnung, wenn sie dazu dienen, jemanden zu schützen. Denn die Wahrheit ist in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht immer das beste Mittel. Manche Menschen benutzen die Wahrheit als Rechtfertigung, anderen ihre negative Energie vor die Füße zu knallen. Aber dass sie die Frisur von jemand anders blöd finden oder das Essen im Restaurant schlechter als am Tag zuvor, bringt niemanden weiter und ist einfach nur unangenehm für alle Betroffenen. Deshalb ist Schwindeln bei mir erlaubt – das hört natürlich auf, wenn es darum geht, dass Fakten verdreht werden oder es juristisch relevant wird.

Angenommen, Sie würden selbst irgendwann straffällig werden – wo lauert die größte Gefahr?
Ich glaube, am ehesten könnte man mich wegen Beleidigung dranbekommen, also Paragraf 185 StGB, weil ich manchmal so impulsiv bin, dass ich aus der Haut fahre und jemanden doch heftiger beschimpfe, als ich das hätte tun sollen. Trunkenheit vielleicht noch – also eher so die leichteren Sünden, nichts mit körperlicher Gewalt gegen andere, das ist mir völlig fern.
Vermissen Sie heute manchmal noch Ihren Alltag als Anwältin?
Oh ja, ich denke sehr gerne an meine Zeit in der Kanzlei zurück und vermisse ab und an die Beständigkeit, die ich dort hatte. In der Fernsehbranche ist jeder eher Saisonarbeiter: Sie drehen irgendwas, dann ist das wieder beendet, das Nächste kommt, und auf einmal ist da wieder ein neues Team. In der Kanzlei dagegen hatte ich Mandate und Kollegen, die mich über Jahre begleitet haben, wir haben zusammen Tischfußball gespielt und hatten eine Anwalts-Band, in der ich gesungen habe.
Was war Ihr größter Hit?
Weil ich so eine tiefe Stimme habe, war das zum Beispiel (singt): „Get it on, bang a gong, get it oooon ...“ – Und „Westerland“ von den Ärzten natürlich oder „Friday I’m In Love“ von The Cure. Wir sind nur intern aufgetreten, aber das war toll. Viele denken ja, die Welt der Anwälte sei langweilig und Jura generell trocken, aber das ist überhaupt nicht so, das habe ich jetzt auch wieder durch die Arbeit am Podcast gemerkt. Da ist alles Menschliche dabei: Liebe, Tod, Rache, Betrug – lebensnäher geht es ja wohl nicht.

Als wir uns vor fünf Jahren das letzte Mal getroffen haben, hatten Sie mit „Zart am Limit“ gerade Ihre erste eigene TV-Show übernommen und waren in der Öffentlichkeit vor allem „die Tochter von Hellmuth Karasek“. Sind Sie dieses Label inzwischen los, oder werden Sie immer noch so vorgestellt?
Ich höre das immer noch, aber finde es total schön. Ich habe allerdings auch nie verstanden, warum einem manche Menschen vorwerfen, dasselbe zu machen wie die eigenen Eltern. Wenn sich ein Kind von klein auf fürs Backen interessiert und dann die Konditorei seines Vaters übernimmt, fragt doch auch keiner, warum das sein muss. Ja, mein Vater war Kulturkritiker beim Fernsehen, auch meine Mutter war Literatur- und Theaterkritikerin, und das hat mich geprägt und fasziniert: Kultur hat in meinem Elternhaus eine große Rolle gespielt, wir hatten tolle Persönlichkeiten zu Gast, und ich musste viele Bücher lesen. Da wäre es doch viel abwegiger, wenn ich mich komplett davon lösen und mich nur für Astrophysik interessieren würde. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich auf meinen Vater angesprochen werde, denn ich habe ihn wahnsinnig geliebt und bin schon traurig, dass er nicht mehr miterlebt, wie ich heute bin und lebe.
“Ich mag meine Rastlosigkeit, weil sie mich ins Leben treibt
Obwohl Sie inzwischen als Autorin und Moderatorin sehr erfolgreich sind, sprechen Sie immer wieder über Selbstzweifel: Neulich haben Sie auf Instagram gepostet, Sie wünschten, Ihre Zweifel würden so schnell verschwinden wie Ihre Ladekabel. Welchen Weg haben Sie gefunden, mit ihnen umzugehen?
Ich stelle mich selbst tatsächlich immer wieder infrage und glaube, es ist so: Es gibt erstens Sachen an mir, die ich mag und die auch andere mögen. Zweitens gibt es die Dinge an mir, die ich selbst mag, die aber kein anderer mag. Und dann gibt es noch die Sachen, die ich selbst nicht mag und die auch andere nicht so gut finden – an dieser dritten Kategorie sollte man arbeiten, die anderen beiden können bleiben, wie sie sind. Aber für mich sind Zweifel auch wichtig, sie bringen uns voran. Wenn ich keine hätte, wäre ich ja ein fertiges Werk, und ich will schließlich noch Aufgaben haben im Leben.
Diese Dinge, die Sie selbst an sich sehr mögen, andere aber nicht: Welche sind das?
Ich bin sehr impulsiv – manche würden sagen: vulkanisch. Ich bin so volatil wie eine Kryptowährung – sprunghaft: euphorisch, himmelhoch jauchzend und dann plötzlich melancholisch. Für andere ist das manchmal anstrengend, dass ich schnell auf 180 bin, aber auch ganz schnell berührt, dass ich exzessiv bin, wenig Schlaf brauche und spät ins Bett gehe. Mein Umfeld findet das ungesund und ungemütlich, aber ich selbst mag meine Rastlosigkeit, weil sie mich ins Leben treibt.