Warum schmeckt der Wein aus dem Urlaub zu Hause ganz anders?


Stellen Sie es sich nur mal vor: Sie sitzen in einem Restaurant direkt am Strand. Ihre Haut ist braun, die Haare salzig vom Meer. Und die italienische Riviera ist genauso schön wie der geliebte Mensch an Ihrer Seite. Vielleicht geht gerade sogar die Sonne unter. Da schmeckt der italienische Hauswein, den Sie kühl aus einem schlichten Wasserglas trinken, plötzlich wie der erlesenste Tropfen, der je Ihre Kehle hinabgeflossen ist. Sie wissen: Den müssen Sie haben. Sie kaufen eine Flasche für zu Hause. Ein Schluck Urlaub, wann immer Sie ihn brauchen.
Doch eine Woche später, der Urlaub ist fast schon wieder vergessen, öffnen Sie die Flasche, schenken ein Glas ein – und schon nach dem ersten Schluck stellen Sie ernüchtert fest: So gut ist der ja gar nicht. Ganz gleich, ob es der Wein aus Italien, der Raki aus Griechenland oder das Bier aus der Karibik ist – daheim schmeckt das Urlaubsmitbringsel nie so gut wie am Ferienort. Woran liegt das?
Warum der Urlaubswein zu Hause nicht schmeckt: In Gesellschaft trinkt es sich besser
Es gibt verschiedene Faktoren, die unser Geschmackserlebnis beeinflussen. Einer davon ist die Gesellschaft, in der wir trinken. Teilen wir ein Glas Wein mit einem geliebten Menschen, schmeckt es besser. Das hat der Professor und Gastrophysiker Charles Spence von der Universität Oxford in einem Experiment herausgefunden. Sein Team befragte rund 2.000 Personen und stellte fest: Über die Hälfte der Teilnehmer schätzte den Geschmack von Speisen und Getränken mehr, wenn sie auswärts mit Freunden aßen, anstatt allein zu Hause. Gleichzeitig gaben fast genauso viele Menschen an, dass ein Abendessen mit jemandem, den sie nicht mögen, schlechter schmeckt.
Wer also eine gute Zeit hat, dem schmecken auch die Drinks besser. Man nennt das einen Transfer von Attributen. Positive Eigenschaften einer Situation – etwa ein wunderschöner Sonnenuntergang in guter Gesellschaft – werden auf den Wein übertragen. Ist man dann wieder zu Hause, und diese Attribute fehlen, schmeckt auch der Wein nicht mehr. Man könnte also sagen, Wein ist nicht nur ein Getränk, sondern ein Erlebnis.
Warum der Urlaubswein zu Hause nicht schmeckt: Licht und Klang beeinflussen unseren Geschmack
Bei einem weiteren Experiment ließ Spence Weinkenner denselben Tropfen in unterschiedlichen Lichtsituationen kosten. Die Ergebnisse zeigten, dass bei grünem Licht die Frische eines Weins hervorgehoben wurde. Im Gegensatz dazu brachte rotes Licht die fruchtigen Noten des Weins zur Geltung. Eine mögliche Erklärung dafür, warum der gleiche Wein im Blick auf einen sonnenbeschienenen Weinberg anders schmeckt als unter dem warmweißen Licht der heimischen Küche, liegt in der Wirkung des Lichts auf unsere Geschmacksempfindung.
Doch nicht nur das Licht spielt eine Rolle: Auch Klänge und Musik sollen beeinflussen, wie wir Wein erleben. Sollte eigentlich nicht verwundern, wenn man bedenkt, wie sehr Musik unsere Stimmung beeinflussen kann. Doch auch hier liefert ein Experiment den Beleg. Indem er Probanden über Kopfhörer Musik vorspielte, während sie tranken, fand Spence heraus: Je mehr die Musik überzeugt, desto besser mundet auch der Wein. Passt dazu auch das Ambiente – etwa Klänge von Adriano Celentano zu einem Glas Chianti beim Italiener –, wirkt die Situation stimmig und wir genießen noch mehr.
Was also tun mit der Kiste Chianti aus dem Italienurlaub? Wegschütten? Auf keinen Fall. Auf die nächsten Ferien warten und die Flaschen wieder mit nach Italien schleppen? Ebenfalls keine Lösung. Vielleicht laden Sie einfach gute Freunde ein, kochen italienisch und klicken sich durch die Fotos der gemeinsamen Ferien. So schaffen Sie es möglicherweise das Urlaubsfeeling neu zu entfachen. Wenigstens für eine Flasche lang.