Fr., 03.04.2020
Motor & Mobility

Jenseits der Alpen- Roadtrip im neuen Mercedes-AMG GLE Coupé

Ein SUV-Coupé eignet sich nur zum Posen an der Ampel? Falsch! Denn Mercedes-AMG kann nicht nur Rennsport, sondern auch SUV – zum Beweis haben wir den neuen Mercedes-AMG GLE 53 Coupé über verschneite Passstraßen, durch enge Serpentinen und sogar einen italienischen Steinbruch gejagt

Dass man mit einem Elefanten die Alpen überqueren kann, hat bereits der karthagische Feldherr Hannibal im Jahr 218 v. Chr. bewiesen. Ob es auch mit einem 2,3 Tonnen schweren Dickhäuter aus Stuttgart klappt, wollen wir bei unserer Ausfahrt im neuen Mercedes-AMG GLE 53 Coupé von Österreich über die Alpen bis weit runter in den Stiefel Italiens ausprobieren. Die Herausforderung: verschneite Alpenpässe, enge Tunnelstraßen und Serpentinen bis hin zu Schotterwegen und Steigungen im berühmten Carrara-Marmorsteinbruch.

Credit: Florian Roser

Schon bei der Fahrzeugübergabe am Innsbrucker Flughafen fällt mir sofort der massive Grill mit 15 vertikalen Lamellen, die extra breiten Radhäuser sowie die zwei verchromten Doppelendrohrblenden auf, die allesamt sagen wollen: Hier hatten beim Design die AMG-Ingenieure aus Affalterbach ihre Finger im Spiel. Ihnen ist wohl auch zu verdanken, dass die zweite Generation des GLE-Coupés dank seinem bescheidenen 435-PS-Reihensechszylinder den Sprint auf 100 km/h in knapp 5,3 Sekunden schafft – bei einer elektronisch abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Das ist knapp eine Sekunde schneller als ein normaler Porsche Cayenne, allerdings auch anderthalb Sekunden langsamer als ein Lamborghini Urus. Im Innenraum dagegen ist das Fahrzeug deutlich praktischer, als man es von einem AMG-Fahrzeug erwarten würde: Die neue Generation bietet innen knapp drei Zentimeter mehr Beinfreiheit, und selbst ein 1,90 Meter großer Mann findet hinten Platz, ohne sich den Kopf zu stoßen. Bei einem Kofferraumvolumen von 655 Litern (erweiterbar auf 1790 Liter bei einer Ladelänge von knapp zwei Metern) eignet sich das Auto problemlos für einen Wochenendausflug für vier Erwachsene inklusive Gepäck und notfalls sogar Ski-Ausrüstung.

Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser

Doch wir wollen Reifen und keine Bretter durch den Schnee jagen. Die erste Bewährungsprobe kommt kurz nach dem Ski-Ort Obergurgl, wo die auf bis zu 2509 Meter hoch gelegene Hochalpenstraße übers Timmelsjoch das österreichische Ötztal mit dem Südtiroler Passeiertal verbindet. Links von uns der Abgrund, rechts eine über zehn Meter hohe Schneewand, insgesamt 30 Kehren bei maximalen Steigungen von 13 Prozent gilt es zu bewältigen. Bei Tempo 150 bietet der frisch eingeschneite Asphalt wenig Traktion für die Reifen, doch der vollvariable Allradantrieb und die elektronischen Stabilisierungsassistenten sorgen dafür, dass man nie die Kontrolle über das Fahrzeug verliert. Trotzdem erreichen wir nach nur fünf Kilometern das vorzeitige Aus: Der Schneefall in den letzten Tagen war zu stark, die Strecke musste aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Enttäuscht drehen wir um und begeben uns auf die klassische, wenn auch ungleich langweiligere Route über den Brennerpass.

Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser

Der Umweg kostet uns fast einen halben Tag. Allerdings haben wir auch anstatt der Autobahn die deutlich schönere Strecke über die alte Brennerstraße genommen. Auf den zahlreichen Serpentinen zwischen Tirol und Südtirol fühlt sich unser „Performance-Panzer“, wie die Presse die AMG-Version des GLE liebevoll getauft hat, mehr an wie ein flacher Supersportwagen als wie ein klassisches SUV. Das Zusammenspiel von adaptiver Luftfederung und der elektromechanischen Wankstabilisierung hält das Fahrzeug trotz seiner Höhe von 1,7 Metern auch bei schnellen Richtungswechseln in der Schikane immer ruhig und stabil auf dem Asphalt.

Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser

Nach etwa zwei Stunden erreichen wir den Gardasee. Die legendäre Tunnelstrecke auf der Westseite des Sees, südlich von Limone, gehört mit zu den schönsten Strecken Italiens, Winston Churchill nannte sie einst „das achte Weltwunder“. Hier haben bereits zahlreiche Autohersteller von BMW bis Mercedes ihre Fahrzeuge in Szene gesetzt, und James Bond trotzte seinen Verfolgern hier in „Ein Quantum Trost“. Wir schalten in den „Sport plus“-Modus, wodurch sich das Fahrzeug um 15 Millimeter näher an die Straße senkt, und preschen damit fast so sportlich wie einst Bond im Aston Martin am Seeufer entlang – allerdings ohne dabei unsere Fahrertür zu verlieren.

Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser
Credit: Florian Roser

Inspiriert von Bond, fahren wir weiter in den Süden Italiens, bis wir schließlich in der Nähe von Pisa den Carrara-Marmorsteinbruch erreichen. Hier konnte Bond seine Verfolger vom Gardasee in einer spektakulären Highspeed-Verfolgungsjagd abschütteln. Im Gegensatz zu ihm müssen wir allerdings unser Fahrzeug in einem Stück zurückbringen. Um Bodenfreiheit zu gewinnen, heben wir daher per Knopfdruck die Karosserie um 55 Millimeter an und wechseln in den Modus „Trail“, englisch für Kies und Schotter. So können wir auch den regennassen, schlüpfrigen Untergrund ohne Probleme bewältigen, selbst die Steigungen von bis zu 80 Prozent auf dem lockeren Marmorkiesboden packt der Allradantrieb des Fahrzeugs.

Credit: Florian Roser

Alles in allem konnte der Wagen im Schnee, in engen Kurven sowie im Gelände überzeugen. Nur eines kann er leider nicht: hüpfen. Wenn Sie sich jetzt fragen, warum er das können sollte: Im Internet kursieren zurzeit diverse Videos, in denen Mercedes-Fahrer ihren GLE mithilfe des sogenannten Freifahrassistenten – der eigentlich dazu gedacht ist, ein im Sand festgefahrenes Fahrzeug wieder freizubekommen – springen lassen. Doch unsere AMG-Variante kann mit dieser Lowrider-Funktion leider nicht aufwarten, nur die Nicht-AMG-Modelle lassen sich damit ausstatten. Ein kleiner Trost für AMG-Fans: Im Sommer kommt mit dem AMG GLE 63 noch die Achtzylinderversion des Fahrzeugs heraus. Der kann zwar immer noch nicht hüpfen, dürfte dafür aber mit seinen 612 PS auch einem Lamborghini Urus in Sachen Beschleunigung Konkurrenz machen.

Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.

 

 

Mercedes-AMG GLE 53 Coupé

Geschwindigkeit
250 km/h 

Leistung
435 PS

Drehmoment
520 NM

0–100 km/h
5,3 Sekunden

Hubraum
2999 ccm 

Gewicht (DIN)
2325 kg

Preis
92.963 Euro

Titelbild: Playboy Deutschland