Herbstblues im Bett? So holen Sie sich die Lust des Sommers zurück


Frau Holzfurtner, warum haben wir im Urlaub oft mehr und besseren Sex als zuhause?
Urlaub ist für Paare ein Raum, gemeinsam Neues zu erleben. Neuheiten kommen oft mit Ungewissheit, mit Aufregung, vielleicht auch mit Unsicherheit – alles Dinge, die eigentlich das Gegenteil der Gefühle einer Langzeitbeziehung sind, in der man sich vertraut und sicher fühlt, aber die Erotik anfeuern. Gleichzeitig hat man im Urlaub etwas, was man im Alltag oft nicht hat: Zeit.
Zeit für Sex?
Zeit für Lust! Die meisten meinen den Akt selbst, wenn sie von Sex sprechen. Dabei beginnt Sex schon im Kopf, bevor wir uns überhaupt berühren. Wenn ich also von längerem Sex spreche, spreche ich nicht von lang andauernder Penetration, die übrigens bei den allermeisten Frauen nicht regelmäßig zum Orgasmus führt. Viel mehr meine ich das gesamte Spiel, das auf die Erregung einzahlt. Das kann schon beim Sprechen über Sex losgehen, beim gemeinsamen Fantasieren oder bei allem, was wir sträflich als Vorspiel degradieren. Dehnen wir das aus, haben wir besseren Sex und intensivere Orgasmen.
Wieso?
Wir wissen aus der Forschung, dass die Dauer der Erregungszeit vor dem Orgasmus seine Intensität steigern kann. Etwas, womit ja etwa auch der Sex-Trend Edging spielt: Hier bringt man sich immer bis kurz vor den Höhepunkt, um dann das Spiel zu unterbrechen und wieder von vorne anzufangen. Dafür ist neben Zeit aber auch wichtig, dass man den Raum im Kopf dafür hat.

Weil man sich sonst nicht fallen lassen kann?
Weil sich viele sonst gar nicht darauf einlassen können. Für Orgasmen brauchen wir nicht nur körperliche, sondern auch mentale Erregung. Lust findet also nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf statt. Es gibt den Begriff der „Arousal Non-Concordance“, der meint, dass diese beiden Komponenten nicht immer übereinstimmen: Man kann körperliche Anzeichen von Lust haben, ohne in der Stimmung für Sex zu sein und andersherum genauso. Für die Lust im Kopf brauchen manche Menschen erstmal Zeit.
“Man unterscheidet zwischen zwei Sex-Typen: Spontan und responsiv
Aber nicht alle?
Generell unterscheidet man zwischen zwei Sex-Typen. Es gibt Menschen, deren Lust kommt spontan, wie aus dem Nichts. Und dann gibt es Menschen vom Typ „Responsive Lust“, die erst dann Lust empfinden, wenn sie etwas hören, riechen, fühlen oder sehen, was sie sexy finden. Und gerade für alle Menschen, die Typ „Responsive Lust“ sind, macht es Sinn, sich Zeit und Raum zu nehmen, wo man auf diese Reize treffen kann. Sie profitieren wahnsinnig von einem Urlaub, weil sie dort Zeit haben, Dates zu planen und sie sich auch hoffentlich mit wenig anderen Dingen beschäftigen müssen, außer ihrer Lust, ihrer Freude und einer schönen Zeit.
Wie findet man heraus, ob man der spontane oder responsive Typ ist?
Indem man sich an ein paar Momente zurückerinnert, in denen man Lust empfunden hat. Wann haben Sie letzte Woche Lust gehabt? Wie ist das passiert? Sind Sie über die Straße gegangen und auf einmal war sie da? Oder hat Ihre Partnerin Sie an einer bestimmten Stelle berührt? Wichtig ist auch zu wissen, dass man im Laufe seines Lebens relativ stabil auf diesem Spektrum bleiben wird.
Auch, wenn man mit einem neuen Partner oder eine neue Partnerin neue Erfahrungen sammeln würde?
Tatsächlich ist der Anfang einer Beziehung die einzige Situation, in der ein Mensch mit responsiver Lust kurzzeitig spontane Lust empfinden kann. Für diese Verliebtheitsphase hat uns die Natur einen wunderschönen Hormon-Cocktail zusammengestellt, der laut Studien maximal 18 Monate reicht. Danach pendelt sich das aber recht schnell wieder ein und responsive Typen sind wieder responsiv.
“Die Anfangszeit einer Beziehung ist hormongeboostet
Das heißt, man lernt das Gegenüber sexuell nach 18 Monaten noch einmal neu kennen.
Das sollte man unbedingt! Die Anfangszeit ist hormongeboostet – danach geht es darum, gemeinsam eine Sexualität zu kreieren. Das passiert nicht einfach so, auch wenn uns das so beigebracht wurde. Nicht zuletzt dank Hollywood denken wir, dass man ständig Lust aufeinander hat, wenn man sich liebt und alles passt. Aber das ist nicht wahr. Diesen Sex, bei dem man sich völlig heiß vor Leidenschaft aus dem Nichts die Klamotten vom Leib reißt, haben die meisten in der Realität nicht. Paare, die langfristig sehr guten Sex miteinander haben, entscheiden gemeinsam, ihre Sexualität zur Priorität zu machen und immer wieder mal auch an ihr zu arbeiten. Auch außerhalb des Urlaubs.
Wie kann man den sexuellen Aufschwung mit in den Alltag nehmen?
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Management-Consultant und Sie gehen das Ganze analytisch an: Was war der Unterschied zwischen dem schönen Sex im Urlaub und dem, den man zuhause erlebt? Wie hat er angefangen, welche Aktivitäten haben Sie unternommen, was war in Ihren Köpfen los? Und dann versuchen Sie, so viel wie möglich davon zu extrahieren.
“Planen Sie Dates wie Meetings
Wie meinen Sie das?
Vielleicht haben Sie Outfits getragen, die der andere besonders sexy fand und sich viele Komplimente gemacht. Oder Sie haben sich tagsüber lange über eine Fantasie ausgetauscht. Vielleicht hatte der Whirlpool auch eine bestimmte Düse? Dann lohnt es sich vielleicht, diese Düse ausfindig zu machen. Und dann: Nehmen Sie sich Zeit, planen Sie Dates so wie sie sich auch für ein wichtiges Meeting mit Ihrer Vorgesetzten vorbereiten würden.
Viele werfen geplantem Sex vor, er sei unsexy.
Das höre ich ständig. Da lohnt sich immer der Blick zurück an die Anfangsphase der Beziehung. Wie ist Sex da entstanden? Wenn man ganz ehrlich ist, war der auch nicht so spontan, da liefen eine Menge Gedanken rein. Und, wir erinnern uns an den Anfang des Gesprächs, je länger man die Erregung aufbaut, desto mehr kann man dafür sorgen, dass die Partnerperson Lust aufbaut und bessere Orgasmen erleben kann. Wenn Sie mich fragen, ein Argument, das ganz klar gegen den Vorwurf spricht. Ich hätte außerdem noch eine Bitte.
“Wichtig ist es, den Druck rauszunehmen
Wir sind ganz Ohr.
Reden Sie miteinander. Sind zwei Personen zusammen, von dem eine der spontane und eine der responsive Typ ist, gehen Sie aufeinander ein. Ganz oft fühlt sich der spontane Typ nicht begehrt, weil er immer den Sex initiieren muss. Auf der anderen Seite kommt beim responsiven Typ dabei viel Druck an, vielleicht sogar Angst, weil man Lust einfach anders empfindet. Das mündet in schlechtem Gewissen und in Diskussionen, unter denen beide leiden.
Wie kann man es besser machen?
Ein erster Schritt kann eine Vereinbarung sein, dass beispielsweise der responsive Typ in gewissen Abständen den Sex initiiert, damit eine neue Dynamik entsteht. Er wird dann trotzdem nicht spontan Lust haben, aber er kann sich überlegen, in welche Situationen er sich vorab begeben kann, um die Reize zu bekommen, die er braucht. Außerdem durchbricht es eingefahrene Muster. Wichtig ist es, den Druck rauszunehmen.
Was sagt die Qualität des Sexlebens überhaupt über eine Beziehung aus?
Wir alle nehmen Sex als Maßstab dafür, um zu messen, wie gut unsere Beziehung ist. Dabei gibt es viel bessere. Zum Beispiel: Wie sicher fühle ich mich, wenn ich nach Hause komme? Wie verstanden fühle ich mich? Lernen wir gemeinsam neue Dinge? Lachen wir? Sex ist wichtig, keine Frage – aber all das sind Maßstäbe, an denen wir viel besser messen können, wie gut und gesund eine Beziehung ist.